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Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) – Definition, Voraussetzungen und Abgrenzung
Das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zählt zu den zentralen und praxisrelevantesten Straftatbeständen im Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Die Rechtsprechung legt den Begriff seit Jahren außergewöhnlich weit aus. Erfasst werden nahezu alle Tätigkeiten, die auf den Umsatz von Drogen gerichtet sind – sowohl während des Verpflichtungs- als auch während des Erfüllungsgeschäfts.
Was bedeutet „Handeltreiben“ im Sinne des BtMG?
Unter Handeltreiben versteht die Rechtsprechung jedes eigennützige Bemühen, den Umsatz von Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu fördern. Dabei reicht bereits eine einmalige oder vermittelnde Tätigkeit aus.
Eigennützig handelt, wer auf Gewinn, Bereicherung oder einen sonstigen materiellen bzw. immateriellen Vorteil abzielt.
Trotz der häufigen Kritik an diesem sehr weitreichenden Begriffsverständnis hat der BGH diese Auslegung bestätigt.
Welche Handlungen gelten als Handeltreiben?
Der Begriff umfasst sämtliche Tätigkeiten, die auf einen Betäubungsmittelumsatz gerichtet sind, darunter:
ernsthafte Verkaufs- oder Ankaufsverhandlungen, auch wenn das Rauschgift noch nicht existiert
das Beschaffen und Bereitstellen von Drogen
alle Handlungen im Rahmen des Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäfts
Zahlungsvorgänge, Transport- und Organisationsleistungen
das ernsthafte Anbieten von Betäubungsmitteln
Geschäfte ähnlich den entgeltlichen Austauschverträgen aus BGB/HGB (Kauf, Tausch, Dienstvertrag, Werkvertrag, Kommission, Fracht)
Nicht ausreichend sind dagegen bloße Vorbereitungshandlungen, wie:
allgemeine Gespräche über Drogen
das Aufsuchen typischer Drogenszenen
unverbindliches Fragen nach Kaufinteresse
Entscheidend ist, wie weit sich das potenzielle Geschäft „verdichtet“ hat.
Vermittlungstätigkeiten und Abgrenzung zu Beihilfe
Auch eine einmalige Vermittlung kann ein Handeltreiben darstellen.
Allerdings ist abzugrenzen zwischen:
Täterschaft (eigennütziges, auf Umsatz gerichtetes Handeln) und
Beihilfe (bloße Unterstützung fremden Eigennutzes)
Wesentliche Kriterien sind:
eigenes Tatinteresse
Umfang des Tatbeitrags
Tatherrschaft bzw. Wille zur Tatherrschaft
Beispiele:
Kuriere können Täter oder Gehilfen sein – entscheidend sind ihre Entscheidungsfreiheit und ihr Lohn
Bereitstellung eines Depots kann Beihilfe oder Täterschaft sein
bloßes Aufbewahren von Verkaufserlösen ist dagegen kein Handeltreiben
Versuch und Vollendung
Beim Handeltreiben handelt es sich um ein Unternehmensdelikt.
Daher:
ein tatsächlicher Umsatzerfolg ist nicht erforderlich
bereits ein ernsthaftes Angebot kann die Vollendung darstellen
der Versuch ist strafbar, spielt aber wegen des weiten Tatbestands selten eine Rolle
selbst wenn auf beiden Seiten verdeckte Ermittler agieren, kann ein vollendetes Handeltreiben vorliegen
Mittäterschaft beim Handeltreiben
Mittäterschaft liegt vor, wenn mehrere Personen eigennützig und gemeinsam auf den Umsatz von Drogen hinarbeiten.
Das bloße Zusammenleben, z. B. in einer Partnerschaft, reicht hierfür nicht aus.
Typische Punkte:
auch Vorbereitungshandlungen können zur Mittäterschaft führen
„Läufer“ sind meist Mittäter
reine Förderung fremden Eigennutzes → Beihilfe
Bewertungseinheit statt fortgesetzter Handlung
Seit dem BGH-Beschluss vom 3.05.1994 ist die früher anerkannte „fortgesetzte Handlung“ beim Handeltreiben ausgeschlossen.
Stattdessen wird nach der Lehre der Bewertungseinheit beurteilt:
Mehrere Einzelakte können eine einzige Tat bilden, wenn sie sich auf denselben Gesamtumsatz beziehen – z. B.:
Drogenerwerb im Ausland
anschließende Einfuhr
geplante Weiterveräußerung
All diese Teilakte verschmelzen zu einem einheitlichen Handeltreiben.
Liegt jedoch ein neuer Umsatz vor, ist auch eine neue Tat gegeben.
Fahrlässiges Handeltreiben (§ 29 Abs. 4 BtMG)
Fahrlässiges Handeltreiben ist selten, aber möglich – etwa wenn jemand Personen gegen Entgelt mitnimmt, die unerkannt Betäubungsmittel transportieren.
Nicht ausreichend ist dagegen das bloße Mitwohnen mit einem Dealer.
Wirkstoffgehalt und Beweisfragen
Für eine strafrechtliche Verurteilung ist stets festzustellen:
welches Betäubungsmittel betroffen war
welcher Wirkstoffgehalt vorlag
Auch wenn die Drogen nicht aufgefunden wurden, müssen hierzu tragfähige Feststellungen möglich sein.
Ausnahme:
Bei Kleinstmengen kann auf ein Sachverständigengutachten verzichtet werden, da die Abweichung vom Durchschnitt keinen Einfluss auf die Strafzumessung hätte.
