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Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen (§ 86a StGB)

von Rechtsanwalt Ralf Kaiser (Bielefeld)

§ 86a StGB – Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen

Überblick

Das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen ist nach dem deutschen Strafrecht eine strafbare Handlung gemäß § 86a Strafgesetzbuch (StGB). Diese Vorschrift zählt zu den sogenannten Staatsschutzdelikten und dient dem Schutz des demokratischen Rechtsstaats sowie des politischen Friedens in der Bundesrepublik Deutschland.
Der Schwerpunkt der Anwendung liegt bei Kennzeichen ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen wie der NSDAP, SS oder SA.

Das Delikt ist als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet. Eine konkrete Gefährdung oder Schädigung der geschützten Rechtsgüter ist für die Strafbarkeit nicht erforderlich. Der Gesetzgeber will bereits den Eindruck der Duldung verfassungsfeindlicher Bestrebungen verhindern, der durch die öffentliche Verwendung entsprechender Symbole entstehen könnte.

Geschützte Rechtsgüter

Nach herrschender Meinung schützt § 86a StGB in erster Linie den demokratischen Rechtsstaat sowie den politischen öffentlichen Frieden.
Darüber hinaus werden in der juristischen Literatur und Rechtsprechung weitere Rechtsgüter genannt, wie:

  • der Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung,

  • die Abwehr einer Wiederbelebung verbotener Organisationen,

  • die Verhinderung verfassungsfeindlicher Bestrebungen,

  • sowie die Wahrung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere im internationalen Kontext.

Eine konkrete Gefährdung dieser Rechtsgüter ist nicht erforderlich – bereits die Verwendung der Kennzeichen kann strafbar sein.

Strafrahmen und rechtliche Einordnung

Das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen stellt ein Vergehen dar, da die Mindeststrafe unter einem Jahr Freiheitsstrafe liegt (§ 12 Abs. 1 StGB).
Der Versuch ist nach § 23 Abs. 1 StGB nicht strafbar, ebenso wenig bestimmte Vorbereitungshandlungen – es sei denn, der Gesetzgeber hat sie ausdrücklich erfasst.

Nach § 86a Abs. 1 Nr. 2 StGB sind jedoch materielle Vorbereitungshandlungen wie das Herstellen, Vorrätighalten oder Einführen von Kennzeichen zum Zwecke der Verbreitung ausdrücklich strafbar.

Tatobjekte: Welche Kennzeichen sind verboten?

Tatobjekte im Sinne des § 86a StGB sind alle Kennzeichen von Parteien oder Vereinigungen, die in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 StGB genannt sind.
Dazu zählen gemäß § 86 Abs. 2 Satz 1 StGB insbesondere:

  • Fahnen und Abzeichen,

  • Uniformteile,

  • Parolen und Grußformen,

  • sowie Symbole oder stilisierte Zeichen, die von verbotenen Organisationen verwendet wurden.

Nach der Definition des Bundesgerichtshofs (BGH) sind Kennzeichen sicht- oder hörbare Symbole, die von einer Organisation genutzt wurden, um auf ihre politischen Ziele oder die Zusammengehörigkeit ihrer Anhänger hinzuweisen. Entscheidend ist, dass die Organisation das Symbol durch Widmung oder Übung als Erkennungszeichen verwendet hat.

Der Name einer Organisation allein gilt in der Regel nicht als Kennzeichen – es sei denn, er wird besonders grafisch oder stilistisch hervorgehoben (z. B. SS-Runen).

Beispiele: Verbotene Kennzeichen nach § 86a StGB

Zu den typischen verbotenen Kennzeichen zählen insbesondere:

  • das Hakenkreuz,

  • der Totenkopf der SS,

  • Symbole der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt,

  • Porträts von Adolf Hitler oder Heinrich Himmler,

  • Parolen wie „Alles für Deutschland“, „Deutschland erwache“ oder „Meine Ehre heißt Treue“,

  • Grußformeln wie „Heil Hitler“, „Sieg Heil“ oder „Mit deutschem Gruß“,

  • sowie das „Horst-Wessel-Lied“.

Nicht vom Verbot erfasst sind dagegen etwa die Reichskriegsflagge in der Version vor 1935 (ohne Hakenkreuz) oder „Das Lied der Deutschen“, da sie keine eindeutige nationalsozialistische Symbolik aufweisen.

Kennzeichen terroristischer Organisationen

Neben Kennzeichen ehemaliger nationalsozialistischer Gruppen fallen auch Kennzeichen terroristischer Organisationen unter den Tatbestand.
Welche Gruppierungen als terroristisch eingestuft werden, ergibt sich aus dem jeweils geltenden EU-Recht, das regelmäßig entsprechende Organisationen benennt. Auch Symbole oder Embleme solcher Organisationen können somit nach § 86a StGB strafbar sein.

Zum Verwechseln ähnliche Kennzeichen

Nach ständiger Rechtsprechung ist auch das Verwenden „zum Verwechseln ähnlicher Kennzeichen“ strafbar.
Dies liegt vor, wenn ein durchschnittlicher Betrachter die prägenden Merkmale des Originalsymbols wiedererkennt.
Damit ist § 86a Abs. 2 Satz 2 StGB auch mit dem Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar.

Ein Beispiel liefert das Oberlandesgericht Hamm (2002): Die Phrase „Unsere Ehre heißt Treue“ wurde als zum Verwechseln ähnlich mit der Waffen-SS-Parole „Meine Ehre heißt Treue“ eingestuft.

Tathandlungen nach § 86a StGB

Strafbar ist insbesondere:

  • das Verbreiten verbotener Kennzeichen (Zugänglichmachen für einen größeren, unbestimmten Personenkreis),

  • das öffentliche Verwenden solcher Kennzeichen,

  • das Verwenden in Versammlungen oder in digitalen Inhalten (z. B. auf Websites, in sozialen Medien oder Livestreams),

  • sowie das Herstellen, Vorrätighalten, Ein- oder Ausführen solcher Symbole zur späteren Verwendung.

Das Verwenden umfasst jeden Gebrauch – sei es optisch, akustisch oder digital.
Eine öffentliche Verwendung liegt bereits dann vor, wenn das Symbol für eine unbestimmte Anzahl nicht persönlich verbundener Personen wahrnehmbar ist.

Fazit: Bedeutung für die Strafverteidigung

Das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen nach § 86a StGB ist eine zentrale Vorschrift im deutschen Staatsschutzstrafrecht.
Sie schützt den demokratischen Rechtsstaat, den politischen Frieden und das Ansehen Deutschlands vor extremistischen Symbolen und Ideologien.

Gleichzeitig ist der Tatbestand komplex:
Ob ein Symbol tatsächlich als Kennzeichen im Sinne des Gesetzes gilt, hängt von vielen Faktoren ab – insbesondere von Kontext, Zweck und Wahrnehmbarkeit.

Gerade in Verfahren wegen § 86a StGB kann eine spezialisierte Strafverteidigung entscheidend sein, um die Grenzen der Strafbarkeit richtig einzuordnen und mögliche Missverständnisse im Tatvorwurf aufzuklären.

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