Strafverteidiger

Ich unterstütze Sie in allen Fragen der Strafverteidigung.

RA Kaiser
Wertherstraße 269
33619 Bielefeld

Volksverhetzung § 130 StGB

von Rechtsanwalt Ralf Kaiser (Bielefeld)

§ 130 StGB – Volksverhetzung im Strafrecht

Überblick

Der Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 StGB gehört zu den zentralen Vorschriften des Staatsschutzstrafrechts. Er dient dem Schutz grundlegender Werte der freiheitlich-demokratischen Ordnung und soll verhindern, dass Hass, Diskriminierung oder Gewalt gegen Bevölkerungsgruppen gesellschaftlich legitimiert erscheinen.

In der juristischen Literatur ist umstritten, welche Rechtsgüter der § 130 StGB konkret schützt. Je nach Absatz ergeben sich unterschiedliche Schutzrichtungen. Besonders kontrovers ist die Rolle der Menschenwürde: Während einige Juristen Volksverhetzung als „Delikt gegen die Menschlichkeit“ einstufen, sehen andere die Menschenwürde nicht als eigenständiges Schutzobjekt, sondern als Teilaspekt des Schutzes von Leib, Leben und Freiheit der betroffenen Personen.

Absatz 1: Öffentlicher Friede und Menschenwürde

Nach § 130 Abs. 1 StGB muss die Handlung geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören. Der öffentliche Friede gilt daher als zentrales geschütztes Rechtsgut.

Daneben erkennt die herrschende Meinung auch die Menschenwürde als Schutzgut an. Zwar erwähnt der Gesetzestext keine ausdrückliche Verletzung der Menschenwürde, doch wird davon ausgegangen, dass volksverhetzende Äußerungen regelmäßig die Würde der betroffenen Personen oder Gruppen beeinträchtigen.

Strittig ist, ob der Schutz nur für im Inland lebende Menschen gilt oder – im Sinne des europäischen Rechts – auch für Personen außerhalb Deutschlands. Der öffentliche Friede ist in jedem Fall als inländisches Rechtsgut ausgestaltet, um den territorialen Bezug sicherzustellen.

Absatz 2: Öffentliche Inhalte und Vorverlagerung der Strafbarkeit

Der zweite Absatz des § 130 StGB erfasst öffentliche Inhalte, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllen. Darunter fallen nach § 11 Abs. 3 StGB Schriften, Ton- oder Bildträger, Datenspeicher und digitale Übertragungen – also auch Internet- und Social-Media-Inhalte.

Obwohl hier die Eignung zur Friedensstörung nicht erforderlich ist, bleibt der öffentliche Friede geschütztes Rechtsgut. Zusätzlich schützt die Norm die individuelle Menschenwürde der betroffenen Personen. Teilweise wird auch der Jugendschutz als weiteres Schutzgut genannt.

Einige Stimmen in der Literatur vertreten zudem die Auffassung, dass der Schutzbereich des öffentlichen Friedens im Sinne des EU-Rechts grenzüberschreitend zu verstehen sei.

Absatz 3: Leugnung nationalsozialistischer Völkermorde

Nach § 130 Abs. 3 StGB ist das Leugnen, Billigen oder Verharmlosen nationalsozialistischer Völkermorde strafbar, sofern die Handlung geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Geschützt werden sowohl der öffentliche Friede als auch die persönliche Würde und der Achtungsanspruch der Opfer und ihrer Angehörigen. Teilweise wird jedoch vertreten, dass allein die Menschenwürde oder ausschließlich der öffentliche Friede Schutzobjekt dieser Vorschrift seien.

Absatz 4: Nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft

§ 130 Abs. 4 StGB erfasst das Billigen, Verherrlichen oder Rechtfertigen der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft, wenn dadurch der öffentliche Friede in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise gestört wird.

Geschützt sind hier sowohl die Menschenwürde der Opfer als auch der öffentliche Friede.
Der Gesetzgeber führte diesen Absatz ein, um insbesondere nationalsozialistische Aufmärsche und Propagandaaktionen strafrechtlich unterbinden zu können.

Absatz 5: Leugnung internationaler Kriegsverbrechen

Mit § 130 Abs. 5 StGB wurde der Straftatbestand erweitert: Er stellt das Leugnen, Billigen oder gröbliche Verharmlosen internationaler Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§§ 6–12 VStGB) unter Strafe.

Voraussetzung ist, dass sich die Äußerung auf die in Absatz 1 Nr. 1 genannten Personengruppen oder Einzelpersonen bezieht.
Auch hier stehen der öffentliche Friede und die Menschenwürde der betroffenen Personen im Vordergrund.

Dogmatische Einordnung der Absätze

  • Absatz 1 und 3: abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikte – entscheidend ist die generelle Gefährlichkeit der konkreten Handlung.

  • Absatz 2: abstraktes Gefährdungsdelikt – eine konkrete Friedensstörung muss nicht nachgewiesen werden.

  • Absatz 4: Erfolgsdelikt, da eine tatsächliche Störung des öffentlichen Friedens verlangt wird.

Alle Tatbestandsvarianten der Volksverhetzung nach § 130 StGB sind Vergehen, da die Mindeststrafe unter einem Jahr Freiheitsstrafe liegt.
Es handelt sich zudem um ein Offizialdelikt – die Strafverfolgung erfolgt von Amts wegen, ohne dass ein Strafantrag erforderlich ist.

Fazit

Der Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 StGB) dient dem Schutz zentraler Rechtsgüter des demokratischen Rechtsstaates – insbesondere des öffentlichen Friedens und der Menschenwürde.
Die genaue Reichweite dieser Schutzgüter ist zwar umstritten, doch verdeutlicht der fortdauernde Diskurs in Rechtsprechung und Wissenschaft die besondere Bedeutung der Norm für die freiheitlich-demokratische Grundordnung.

Für Beschuldigte oder Betroffene entsprechender Ermittlungsverfahren empfiehlt sich frühzeitig anwaltliche Beratung durch einen im Strafrecht erfahrenen Verteidiger, um die rechtlichen Risiken und Verteidigungsstrategien präzise zu beurteilen.

Kontaktieren Sie mich

Telefon: 0521 / 89 499 844
Fax: 0521 / 89 499 845
Mobil: 0175 / 87 111 54
Email: RARK@gmx.de

Meine Rechtsgebiete

Meine Philosophie

"In vielen Dingen des täglichen Lebens setze ich weniger auf blumige Reden und feingeistige Schönheit, sondern vielmehr auf Ergebnisorientierung und Effektivität. Persönlich sehe ich mich - auch als Anwalt - weniger als Feingeist, sondern als jemand, der "anpackt"."
Ralf Kaiser Bielefeld