Strafverteidiger
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33619 Bielefeld
Aussage gegen Aussage = Freispruch ?
von Rechtsanwalt Ralf Kaiser (Bielefeld)
Aussage gegen Aussage – führt das automatisch zum Freispruch?
Immer wieder erhalte ich Mandatsanfragen, in denen mir bereits telefonisch der Sachverhalt geschildert wird. Häufig geht es dabei um Vorwürfe wie Körperverletzung, Beleidigung oder sogar um Sexualstraftaten. Schon früh im Gespräch wird dann oft die Frage gestellt, ob es nicht automatisch zu einem Freispruch kommen müsse, wenn „Aussage gegen Aussage“ steht – also keine unabhängigen Zeugen vorhanden sind und sich alles unter vier Augen abgespielt hat.
Diese Annahme ist allerdings zu einfach. Ob es tatsächlich zu einer Verurteilung oder einem Freispruch kommt, hängt maßgeblich von der Beweiswürdigung ab – also davon, wie Richter oder Staatsanwalt die einzelnen Aussagen bewerten.
Beweiswürdigung im Strafverfahren
Im Strafprozess stehen sich meist zwei Aussagen gegenüber:
die des mutmaßlich Geschädigten, der als Zeuge der Wahrheit verpflichtet ist, und
die des Beschuldigten, für den keine Wahrheitspflicht besteht.
Zeugen können nach § 153 StGB („Falsche uneidliche Aussage“) mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden, wenn sie bewusst falsch aussagen. In der Praxis führt ein solcher Verstoß bei bislang unbestraften Personen jedoch häufig nur zu einer Geldstrafe (§ 47 II StGB). Das Risiko, für eine Falschaussage tatsächlich belangt zu werden, ist somit überschaubar – was die Realität im Strafverfahren deutlich komplexer macht, als es auf den ersten Blick scheint.
Aussage gegen Aussage bedeutet keine automatische Straflosigkeit
Ein „klassischer“ Aussage-gegen-Aussage-Fall liegt vor, wenn es nur zwei widersprüchliche Darstellungen gibt – etwa in Verfahren wegen Sexualdelikten, die sich typischerweise unter vier Augen abspielen.
Ein Beispiel:
Eine Frau beschuldigt ihren ehemaligen Partner der Vergewaltigung. Der Beschuldigte bestreitet den Vorwurf und erklärt, der Geschlechtsverkehr sei einvernehmlich erfolgt. Zwei gegensätzliche Behauptungen stehen sich gegenüber – aber das allein führt nicht automatisch zum Freispruch.
Damit das Gericht den Beschuldigten verurteilen kann, muss die Aussage des mutmaßlichen Opfers einer besonders sorgfältigen Glaubwürdigkeitsprüfung standhalten. Sie muss schlüssig, detailliert und widerspruchsfrei sein. Weicht die Darstellung erheblich ab oder ist sie in sich unlogisch, wird das Verfahren in der Regel nach § 170 II StPO eingestellt.
Kriterien für die Glaubhaftigkeit einer Aussage
Richter und Staatsanwälte prüfen insbesondere:
Ist die Aussage in sich konstant und nachvollziehbar?
Wurden wesentliche Details über mehrere Vernehmungen hinweg gleichbleibend wiedergegeben?
Gibt es Anhaltspunkte für ein Motiv zur Falschaussage?
Wie ist die Entstehungsgeschichte der Anzeige – kam das mutmaßliche Opfer selbst zur Polizei oder wurde der Vorwurf durch Dritte bekannt?
Je nach Ergebnis dieser Prüfung entscheidet sich, ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung besteht oder das Verfahren eingestellt wird.
Fazit: Aussage gegen Aussage ist kein Freibrief zum Freispruch
Die Vorstellung, dass bei „Aussage gegen Aussage“ automatisch ein Freispruch erfolgt, ist ein Irrtum.
Zwar ist die Beweislage in solchen Fällen oft schwierig, doch entscheidend ist, wie glaubwürdig und konsistent die belastende Aussage ist.
Eine erfahrene Strafverteidigung kann in solchen Verfahren jedoch maßgeblich dazu beitragen, Widersprüche aufzudecken, Beweiswürdigung kritisch zu hinterfragen und die Rechte des Beschuldigten konsequent zu verteidigen.
